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Fred Lex schreibt und zeichnet für das Corona-Tagebuch
Summen zwischen Kirchenbänken
In den Gottesdiensten der Johanneskirche sitzen Besucherinnen und Besucher mit und ohne Gesichtsmaske auf dem mit Sicherheitsabstand exakt durchgeplanten Kirchengestühl, und wenn es das Programm erforderlich macht, dann summen sie. Ich war dabei und habe nach Handdesinfektion und Adressenangabe Texte und Noten in gedruckter Form erhalten, nicht zum Mitsingen, sondern zur Information. Den Mundschutz durfte ich, sobald ich meinen Platz eingenommen hatte, vorübergehend abnehmen. „Nicht singen nur mitsummen“, schärfte uns der Pfarrer ein. Die Musik, sobald sie erforderlich war, kam instrumental von oben, nämlich aus dem Bereich der Orgel plus zwei geschulter Stimmen auf der Empore. Zwischen den Kirchenbänken selbst schwebte nur ein sanftes Vibrieren, ähnlich wie bei einem freundlich gestimmten, aber ausgebremsten Bienenschwarm. Das war das Summen der Gemeinde.
Glaubensbekenntnis, das Vaterunser und einige liturgische Formeln durften wir Kirchenbesucher, vom Mundschutz befreit, in normaler Lautstärke vortragen. Aber damit war auch schon alles gesagt. Für begnadete Gemeindesängerinnen und -sänger ein schmerzliches Pausieren, denn nirgendwo wird so gerne und so laut gesungen wie bei uns Evangelischen. Kein Wunder, denn mit Martin Luther begann die Singbewegung der Reformation. Luther selbst sang gerne und gut. Sein Wittenberger Liederbuch aus dem Jahr 1529 nannte er ein „Gemeindegesangbuch“. Die Gemeinde soll singen, sagte er. Und dies tat sie umso lieber, als der Barockpoet Paul Gerhardt (1607 – 1676) so anmutige Lieder für die Protestanten schrieb wie: „Geh aus mein Herz und suche Freud, in dieser lieben Sommerzeit“.
Schade, dass man diese schöne Melodie in dieser Sommerzeit auf der Kirchenbank nicht lauthals heraussingen darf. Mit Summen sollte man aber erst gar nicht anfangen. Das Lied hat immerhin fünfzehn Strophen. Also: einfach nur stumm lesen.
Fred Lex, Bad Kreuznach, 3. Juli 2020