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Markus Bach schreibt für das Corona-Tagebuch
Gedanken zur Corona-Krise in Bad Kreuznach und darüber hinaus
Ja, die globale Corona-Krise ist auch in Bad Kreuznach angekommen. Anfänglich fragten sich viele, ob die Intensiv-Betten in den regionalen Krankenhäusern ausreichen, wenn es mit dieser offenbar unberechenbaren Erkrankung noch heftiger kommen sollte. In vielen Hinterköpfen werden Pestängste wach. Albert Camus' Roman "Die Pest" wird mit einem Schaudern gelesen.
Trotz Distanz rücken viele Menschen näher zusammen - widersprüchlich nur auf den ersten Blick - und doch sterben auch in unserer Stadt viele Menschen einsam unter Corona-Bedingungen, wenn auch nicht unbedingt an Corona selbst.
Tja, und dann wird der Jahrmarkt abgesagt: die wohl schlimmste Katastrophe seit dem 2. Weltkrieg - die Corona-Pandemie - hat auch Bad Kreuznach im Griff.
Zum ersten Mal seit 1945 ist eine globale Krise in unseren Breiten so unmittelbar angekommen, dass sie uns ganz persönlich betrifft: Lieb gewonnene, nie wirklich hinterfragte Freiheiten werden eingeschränkt; Geschäfte schließen, manch' eine Existenz ist bedroht und einige können dieser Entwicklung trotz KurzarbeiterInnengeld nicht mehr Stand halten und rutschen ins gesellschaftliche und persönliche Abseits.
Wir alle sind drastischen Einschränkungen unterworfen und selbst die größten Wirtschaftsliberalen fragen nach staatlichen Hilfen - der viel gelobte Markt kann's eben nicht richten. Leben und Tod, das bemerken jetzt viele Menschen, sind durchaus mehr als die BefürworterInnen der reinen Lehre von Angebot und Nachfrage glauben machen wollen.
Der Preis der menschlichen Existenz ist sein einzigartiger Wert, mit nichts zu bezahlen.
Genau diese Einschätzung gilt für alle Menschen - weltweit. Wir alle sind durch unseren je eigenen Wert in unserem Recht auf Unterschiedlichkeit und Wertschätzung gleichgestellt, was in der Charta der UN-Menschenrechte eindeutig formuliert ist.
Doch haben wir das als Gesellschaft jemals bedacht, wenn es um die globalen Krisen und die vielen Kriege weltweit nach dem Ende des II. Weltkriegs 1945 ging, so wie wir es jetzt in Corona-Zeiten bedenken, wenn unsere Freiheiten unmittelbar eingeschränkt werden?
Was hat es uns als Gesellschaft denn gejuckt, dass bis heute Jahr für Jahr Millionen Menschen an Hunger sterben; dass Kinder schon kurz nach ihrer Geburt an Mangel- und Unterernährung elend zu Grunde gehen, dass Mädchen nur wegen ihres Geschlechts getötet oder grausam beschnitten werden?
Was hat es uns als Gesellschaft denn gejuckt, dass unsere Art der fleischorientierten Ernährung, der Massentierhaltung und des Massenkonsums, des Raubbaus an der Natur über Großkonzerne gewinnorientiert gesteuert genau diesen Hunger fördern, die Klimakrise verschärfen, die wiederum den Hunger verschlimmert?
Was hat es uns als Gesellschaft denn gejuckt, dass auch mit in Deutschland produzierten Waffen Menschen in Kriegen massenweise getötet wurden und werden?
Was hat es uns als Gesellschaft denn gejuckt, dass auch mit in Deutschland mitverursachten Konflikten und Kriegen Menschen in die Flucht, aufs Meer und schließlich dort ins Ertrinken getrieben wurden und werden?
Einige wenige Menschen wie etwa die Bad Kreuznacher Reschke-Brüder hat es etwas gejuckt. Sie wollen privat organisiert Menschen auf der Flucht vor dem Ertrinken retten. Das ist aller Ehren wert, genauso wie projektorientiertes Helfen einzelner Gruppen, nicht zuletzt in der Flüchtlingskrise des Jahres 2015.
Alles das wird in unserer globalisierten Welt jedoch nicht ausreichen, um die Menschenrechte für jede einzelne ErdenbürgerIn durchzusetzen, wie wir es für uns und unsere Nachbarn in derselben Straße in Bad Kreuznach mit Recht in der Corona-Krise erwarten.
Wir werden unser Gesundheitssystem eben nicht der Gesundheit jedes Einzelnen angedeihen lassen können, wenn dieses Gesundheitssystem nur unter Gewinngesichtspunkten geführt wird und das gilt nicht nur in Corona-Zeiten in Bad Kreuznach, wenn wir mit Recht um die Zahl der Intensivbetten besorgt sind.
Es wird nicht reichen, nur Spenden gegen den Hunger auf der Welt zu sammeln, um die Folgen von Hunger, Krieg und Verfolgung zu mindern und die Menschenrechte für jeden einzelnen Füchtling weltweit durchzusetzen.
Wir werden die Macht der Großkonzerne, der Waffenschmieden, der Börsengewinnler einschränken und die Militärhaushalte unserer NATO-Staaten drastisch verringern müssen, wenn wir mit Recht allen Menschen ein Leben ohne Krieg, Angst und Hunger ermöglichen wollen. Nur wenn wir das Geld fürs Militär in Bildung, Gesundheit, Nahrung und Gleichberechtigung umleiten und den Raubbau an der Natur beenden, werden wir die Chance haben, für jeden Menschen auf diesem Planeten die Menschenrechte durchzusetzen.
Das gilt natürlich auch für uns selbst. Denn Corona, das den Bad Kreuznacher Jahrmarkt zu Fall brachte, ist eine Folge des massenhaften Artensterbens bedingt durch die von uns selbst ausgelöste Öko-Krise und diese Pandemie wird nicht die letzte sein, die unser schönes Leben in Bad Kreuznach bedroht, wenn wir nicht in allen Lebensbereichen umsteuern. Nicht nur für Corona in Bad Kreuznach gilt: global denken, lokal handeln.
Markus Bach, 1. September 2020
Foto: Markus Bach (links) bei der "Männerlesung" im Freibad Bad Münster.