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Corona-tagebuch - Politologe Markus Bach empfiehlt nachdrücklich:

Friedensstadt Bad Kreuznach braucht Friedensakademie


Der 22. Januar 2021 ist ein herausragendes Datum. Es ist wichtig für die Welt, für Europa, für Frankreich und Deutschland, für Rheinland-Pfalz und für Bad Kreuznach – und das ganz besonders in Zeiten von Corona – historisch wie kommunalpolitisch.

Nehmen wir etwas Anlauf, um die Zusammenhänge zu verstehen, die dieses Datum für Bad Kreuznach bündelt, und um daraus aus politikwissenschaftlicher Sicht eine grundlegende Leitbild-Orientierung für die Stadt zu erarbeiten:

die Ausrichtung als Friedensstadt und den Aufbau einer Kommunalen Friedensakademie in Bad Kreuznach.

Die empfohlene Leitbildorientierung ist auch eine Antwort auf die Corona-Krise und die dahinter liegenden Ursachen, vor allem im Bereich des dramatischen Klimawandels.

Kommen wir zu den historischen Voraussetzungen für die Forderungen nach einer Ausrichtung von Bad Kreuznach als Friedensstadt und für die Einrichtung einer Kommunalen Friedensakademie in der Nahe-Stadt.

An diesem Datum, dem 22. Januar, erinnern wir mit dem deutsch-französischen Tag in beiden Ländern an die Aussöhnung zwischen den europäischen Erbfeinden Deutschland und Frankreich, die am 22. Januar 1963 mit der Unterzeichnung des deutsch-französischen Vertrags durch Frankreichs Staatspräsident de Gaulle und den deutschen Bundeskanzler Adenauer in Paris besiegelt wurde.

Im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach hatte diese Aussöhnung mit dem ersten Regierungstreffen der beiden Geschwisterstaaten auf deutschem Boden nach dem II. Weltkrieg, am 26.11. 1958, wesentlich ihren Anfang genommen.

Damals trafen sich de Gaulle und Adenauer an der Nahe und markierten so – im Nachhinein betrachtet - auch eine weltpolitische Trendwende von der Konflikt- zur Kooperationsstrategie, auf der Europas Frieden nach dem II. Weltkrieg (1939-45) fußen sollte.

In diesem Jahr erhält der 22. Januar eine weitere weltpolitische Bedeutung. Am 22.1.2021 tritt nämlich der völkerrechtlich verbindliche UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen in Kraft, nachdem im Vorlauf schon mehr als die dazu erforderlichen 50 Staaten diesen Kodex ratifiziert hatten. Dies setzt die mutmaßlich im rheinland-pfälzischen Büchel gelagerten US-Atomwaffen und damit auch die atomare Teilhabe Deutschlands im Rahmen der NATO unter einen hohen politischen Druck.

Auch in diesem Zusammenhang spielt Bad Kreuznach eine nicht unerhebliche Rolle. Die Stadt, die  eine todbringende Schwedenkugel aus dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) in einem ihrer bedeutenden Brückenhäuser als Mahnmal zum Frieden beherbergt, unterstützt in Person ihrer Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer mit der weltweiten Bewegung Mayors for Peace (Bürgermeister*innen für den Frieden) das Atomwaffenverbot. Deutschland hat das Atomwaffenverbot im Gegensatz beispielsweise zum Vatikanstaat, zu Malta, Österreich oder der Republik Irland bisher leider noch nicht unterzeichnet und nicht ratifiziert.

Am 22. Januar 2021 feiert die Stadt an der Nahe, die am 2. Januar 1945 den heftigsten mehrerer tödlicher Bombenangriffe im vom faschistischen Hitler-Deutschland entfesselten II. Weltkrieg erlitt, trotz oder gerade wegen der fehlenden deutschen Unterschrift das Atomwaffenverbot auf Geheiß der Oberbürgermeisterin. Im Beisein der Bad Kreuznacher Friedensaktivist*innen von Aktiv für Frieden wird die Mayors-for-Peace-Flagge gehisst - ein wichtiges politisches Zeichen weg von der Sicherheit durch Androhung des Atomtods hin zur Sicherheit durch Kooperation.

Vor dem Hintergrund der historischen Verbindung Bad Kreuznachs mit diesen beiden friedenspolitischen Trendwenden, dem deutsch-französischen Vertrag und dem Inkrafttreten des UN-Atomwaffenverbots, ergibt sich aus meiner Sicht als Politologe folgende Leitbildempfehlung für die Stadt:

1.)    Bad Kreuznach sollte sich so schnell wie möglich Friedensstadt Bad Kreuznach nennen und

2.)    eine Kommunale Friedensakademie mit den Schwerpunkten Konversion und Kommunale Außenpolitik aufbauen.

Das hat politische, wirtschaftliche, arbeitsmarkttechnische und touristische Vorteile für die Stadt, die sich im Übrigen mit der integrativen Arbeit für Geflüchtete durch das evangelische Ausländer*innen-Pfarramt sowie durch die preisgekrönte multikulturelle Stadtteilarbeit der Alternativen Jugendkultur (AJK)  friedenspolitisch bereits zuvor einen Namen gemacht hatte.

Warum nun aber diese beiden Leitbildempfehlungen in Richtung Friedensstadt und Friedensakademie? Was hat die Weltpolitik an dieser Stelle mit der inhaltlichen Ausrichtung Bad Kreuznachs zu tun?

Nehmen wir historisch noch einmal Anlauf – es lohnt sich.

Beide eben beschriebenen welthistorischen Ereignisse bedingen sich nämlich gegenseitig und verlangen geradezu in der Konsequenz die Einsicht, dass im 21. Jahrhundert politische Ziele nicht mehr mit Drohungen, schon gar nicht mit atomaren, zu erreichen sind, sondern allein mit Zusammenarbeit. Diese Einsicht hatte schon im 20. Jahrhundert ihre praktisch-politischen Wurzeln und die entsprechenden Folgen gezeigt.

Der Verzicht des sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow auf ein „Weiter so“ in der stetigen Aufrüstungspolitik der UdSSR Ende der 1980er Jahre erklärte sich vor allem aus dem bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Riesenreichs, verursacht durch den Versuch, beim Wettrüsten mit den kapitalistischen USA mithalten zu wollen.

Sein Ausstieg aus diesem Militärwettlauf mit den Vereinigten Staaten von Amerika war zwingend nötig, um den finanziellen Ruin der Sowjetunion zu verhindern.

Aber bei diesem weltpolitischen Beispiel hinsichtlich des Verzichts auf Rüstungssteigerung wird es in Zukunft allein nicht bleiben:

So, wie die Sowjetunion aus dem Rüstungswettlauf aussteigen musste, so müssen nun auch die aktuellen Akteur*innen der Weltpolitik, die Militärgiganten USA, China und EU – und mit ihr Deutschland und Frankreich - früher oder später aus den Billionen verschlingenden Militärhaushalten aussteigen.

Nur dann nämlich können sie die Konflikte in der Welt friedlich lösen und so endlich Geld frei schaufeln, damit die Kosten von Corona und ähnlichen Krisen sowie die Folgen des Klimawandels und das Schließen der allenthalben zunehmenden Gerechtigkeitslücken zwischen Arm und Reich bezahlt werden können.

Was hat Bad Kreuznach konkret mit all' diesen Entwicklungen zu tun?

Auch wer vor Ort Geld aus Militärhaushalten in zivile Projekte umleiten will (Konversion), braucht dazu Konzepte und Erfahrung. Er braucht sie, um, statt völlig überzogener und erfolgloser Rüstungsausgaben zur Drohung gegen nicht vorhandene Feinde, endlich den Klimawandel und mit ihm verbundene biologische Krisen wie Corona sowie die Gerechtigkeitslücken zwischen Arm und Reich zu bekämpfen – die wahren „Feinde" unserer Gesellschaft.

Erfahrung hat Bad Kreuznach auf dem Gebiet der Konversion wahrlich vorzuweisen. Noch fehlt allerdings die systematische Aufarbeitung dieser Erfahrungen in einer Kommunalen Friedensakademie.

Unsere Stadt hat nach dem Abzug der US-Streitkräfte enorm viel auf dem Gebiet der Umwidmung (Konversion) von ehemals militärischem Gerät und den dazugehörenden Liegenschaften und Immobilien geleistet.

Da wurden neue Wohn- und Gewerbegebiete erschlossen und damit zahlreiche Wohnungen und viele neue Arbeitsplätze in verschiedenen Branchen geschaffen.

Da wurde die Verkehrspolitik mit einigen neuen Mobilitätseffekten für Fußgänger*innen, Radfahrer*innen und Autofahrer*innen ausgestattet und damit mobile Entwicklungsmöglichkeiten neu sortiert.

Insgesamt ging also ein Ruck durch die Stadt nach einem jahrelangen Stopp einer solchen Entwicklung wegen der Bindung von Gebieten und Immobilien an die US-Militärs.

Natürlich brachten die Soldaten auch eine sehr große Kaufkraft für die Stadt und die Region mit sich und ihr Abzug bedeutete daher auch einen Verlust von wirtschaftlicher Stärke auf vielen Feldern.

Doch der neue Entwicklungsschub, der sich für Stadt und Region aus dem Abzug der US Streitkräfte ergab, war nach einer gewissen Übergangsphase weitaus größer als der Verlust aus dem Abwandern der Soldat*innen.

Die negativen wirtschaftlichen Folgen des Abzugs der US-Militärs und der damit verbundenen Aufgabe ihrer vielfältigen Einrichtungen mussten aber in Bad Kreuznach und Umgebung am Arbeitsmarkt, am Wohnungsmarkt und im Tourismus aufgefangen und durch ein Bündel an zivilen Maßnahmen ausgeglichen werden – ein großer Kraftakt nicht nur für die Stadt, sondern für die gesamte Region, um die Vorteile aus dieser Entwicklung mittel- und langfristig abzusichern.

Dieser Kraftakt wurde in jahrelanger Detailarbeit im großen und ganzen zu einer Erfolgsgeschichte. Der Erfolg hat Gründe, genauso aber auch die Rückschläge und negativen Aspekte auf dem Weg zur Nahe-Konversion, die es natürlich auch gab.

Warum etwa wurde der neue mögliche Antrieb nach dem Abzug der US-Militärs nicht für einen Entwicklungsschub genutzt, der nachhaltig und damit modern ausgerichtet ist?

Warum etwa gibt es kein Radwegenetz in Bad Kreuznach, das diesen Namen auch wirklich verdient? Nach anfänglichen Erfolgen blieb es leider stehen und nahm bis heute nicht richtig Fahrt auf.

Warum gibt es nicht endlich einen ÖPNV, der einer Stadt dieser Größenordnung angemessen ist, und im Alltag der Menschen wirklich machbare Alternativen zum immer noch dominierenden Autoverkehr zulässt?

Warum gibt es nicht endlich eine Energieversorgung, die dezentral und nur noch an den neuen Energieträgern ausgerichtet ist?

Warum gibt es nicht endlich in Neubaugebieten eine Stadtplanung für eine Nahversorgung, die dem Anspruch einer verkehrsmindernden, frauenfreundlichen und familiengerechten Entwicklung gerecht wird?

Und warum gibt es nicht endlich angemessene und zahlreiche akademische Ausbildungsgänge in der Stadt?

All' das sind Bad Kreuznacher Erfahrungswerte und Fragestellungen, die endlich friedenswissenschaftlich sowie - damit logisch unauflöslich verknüpft – struktur- und wirtschaftspolitisch ausgewertet werden müssen.

Nur so lassen sich die Erfolge von Konversion verstetigen und Fehler vermeiden.

Dann erst dann können diese Erfahrungen vielen anderen Städten und Gemeinden zur Verfügung gestellt werden, die die Konversion noch vor sich haben, und das betrifft nicht nur Kommunen in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt.

Mit der Kommunalen Friedensakademie würde Bad Kreuznach einen Exportschlager in Richtung moderner Kooperation durch Konversion aufbauen, so,  wie anderswo klimawissenschaftliche Einrichtungen oder Forschungszentren für die Verkehrswende einen immensen Modernisierungs- und Tourismuseffekt für ganze Regionen nach sich ziehen und in Zukunft ziehen werden.

Dass die Sicherheitswende kommen wird, und damit militärische Konfliktlösungsmuster durch zivile ersetzt werden, steht für moderne Friedensforscher*innen und Militärfachleute längst außer Frage.

Das haben nicht zuletzt auch viele Veranstaltungen des Bad Kreuznacher Netzwerks am Turm mit entsprechenden Referent*innen gezeigt, so auch jüngst zur Vorstellung des Konzepts „Sicherheit neu denken", das in der Ev. Kirche von Baden entwickelt wurde und nun auch im Umfeld der bekannten Münchner Sicherheitskonferenz als Alternative zur längst überholten Militärpolitik diskutiert wird.

Die Bad Kreuznacher Kommunale Friedensakademie sollte aber nicht nur eine konversionsorientierte Ausrichtung haben. Sie sollte mit einem zweiten Baustein - am Beispiel der deutsch-französischen Aussöhnung orientiert - die Rolle aktiver kommunaler Außenpolitik aufarbeiten und als friedenspolitischen Werkzeugkasten in die Welt tragen, so wie unsere Winzer*innen den Nahe-Wein global erfolgreich vermarkten.

Als Beispiel für eine zivilgesellschaftliche und kommunale Außenpolitik seien hier die Aktion Seebrücke für die Aufnahme geflüchteter Menschen in Bad Kreuznach und die Aktivitäten der schon deutschlandweit bekannten geplanten Rettungsaktion für Flüchtlinge im Mittelmeer durch die Bad Kreuznacher Reschke-Brüder genannt.

Auch diese zivilgesellschaftlichen Außenpolitiken müssen ausgewertet und friedenswissenschaftlich erforscht werden, um sie als weitere Alternative für eine veralterte und völlig überteuerte militärische Sicherheitsarchitektur zu nutzen.

Diese Forschung wäre auch ein Danke schön für die Arbeit der Friedensnobelpreisträgerin ICAN, - der Internationalen Kampagne gegen Atomwaffen – die mit ihrem Einsatz die Erfolge von Vor-Ort-Politik wie in Bad Kreuznach in Sachen Frieden erst ermöglichte.

Ganz grundlegend lässt sich daher abschließend formulieren:

Nur wer als Gesellschaft in Zukunft technische Umwandlungen von militärischen in zivile Projekte verbindet mit dem Austausch zwischen Kommunen verschiedener Länder in den Friedensprojekten von kleinen Leuten, nur der wird auch an den Zukunftsmärkten der Welt wirtschaftlichen und technologischen Erfolg haben. Das gilt für Nationen, Regionen und Kommunen und damit auch für Bad Kreuznach.

Denn wirtschaftlicher Erfolg braucht Vertrauen und keine Androhung von Tod oder gar Atomtod. Das erkannte im 20. Jahrhundert bereits der Architekt von Willy Brandts Entspannungspolitik, Egon Bahr. Er verwendete dafür die Formel „Wandel durch Annäherung" – und hatte Erfolg.

Zu diesen erfolgreichen Politikmodellen kann Bad Kreuznach als Friedensstadt in Zukunft mit einer Friedensakademie für Konversion und Kommunale Außenpolitik beitragen und als Friedensstadt selbst Gewinn daraus schöpfen.

Damit würde im Übrigen auch eine wichtige Forderung der Oberbürgermeisterin eingelöst, endlich eine Vielzahl akademischer Studiengänge in Bad Kreuznach aufzubauen, die eine solche Akademie sicherlich nach sich zöge.

Denn die OB weiß: Nur viele, gute Arbeitsplätze – und das sind nicht nur akademische - und mit ihnen gute Ausbildungsplätze und Studienangebote sichern auf Dauer hohe Löhne und damit einen guten Lebensstandard, der sich bezahlt macht. Das gilt gerade auch in der Corona-Krise und in artverwandten Krisen, die leider noch auf uns zu kommen dürften. Erst diese Einsicht sichert Frieden auf Dauer.

Die Friedensstadt Bad Kreuznach mit einer Kommunalen Friedensakademie für Konversion und als Umsetzung von kommunaler Friedenspolitik der kleinen Leute für kleine Leute hat Zukunft und sichert sie.

Die Idee dazu entstand im Übrigen bei einer Veranstaltung des DGB-Kreisverbands mit dem Netzwerk am Turm. Nach einem sehr anregenden Referat des Ex-IG-Metallbundesvorstands Otto König zum Thema Konversion hatte ich in der anschließenden Diskussion erstmals den Vorschlag für eine Kommunale Friedensakademie in Bad Kreuznach gemacht – einen Vorschlag, den der DGB-Kreisverband mit seinem Kreisvorsitzenden Michael Simon unterstützt.

Vertrauen statt Drohung heißt das Signal aus Bad Kreuznach in die Welt und das nicht nur am 22. Januar jedes Jahres - eine Aufgabe, für die kleine Leute vor Ort endlich die Unterstützung der Großen aus der Politik brauchen – zur Sicherung des Friedens auf der ganzen Welt.

Markus Bach M.A.; 22.Januar 2021

 

 

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