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Rolf Schaller hat Schicksal von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen dokumentiert
Verschleppt, drangsaliert, ausgebeutet
Die interessanteste Quelle ist wohl leider versiegt. Noch bis zum Jahr 2001 gab es beim Finanzamt Bad Kreuznach eine Liste jener Betriebe, die eine Ostarbeitergebühr zahlen mussten. Doch die ist nicht mehr da, erfuhr Schaller auf Anfrage. „Praktisch jeder Bauer hatten einen Zwangsarbeiter, seinen Polen, wie man damals sagte.“ Belegbar ist durch Dokumente der Arbeitsverwaltung, dass im Raum Bad Kreuznach 2671 „Fremdarbeiter“ für einen Hungerlohn schuften mussten, davon waren 1475 sogenannte Ostarbeiter, die Hälfte aus dem besetzten Polen. 1944 waren 6558 Zwangsarbeiter registriert. Die zumeist jungen Menschen mussten das Abzeichen „Ostarbeiter“ tragen und es auch noch von ihren paar Pfennigen Lohn selbst bezahlen. Auch die Todesursachen sind auf den Sterbeurkunden eingetragen, so z.B. ein durchgebrochenes Magengeschwür oder Selbstmord durch einen Sturz aus dem Fenster des Kreiskrankenhauses. Schaller hat zudem ermittelt, dass auch ein Bauer im Streit einen Zwangsarbeiter erschossen hat, ohne Konsequenzen.
Auf die Firmen, die die Zwangsarbeiter beschäftigten, gibt es nicht allzu viele Hinweise.
Rolf Schaller ist aber im Landeshauptarchiv Koblenz fündig geworden:
- Chemische Fabrik Dr. Jacob GmbH, Planiger Straße 34/62. Ostarbeiterlager Heidenmauer mit 324 Ostarbeitern, darunter eine hohe Anzahl von Frauen.
- Lederfabrik Eckenroth & Emmerich, Mainzer Straße 39-55. Eigenes Ostarbeiterlager mit 38 Ostarbeitern.
- Maschinenfabrik Seitz Werke GmbH, Filter- und Asbestwerk, Planiger Straße. Eigenes Ostarbeiterlager mit 92 Ostarbeitern.
- Metallwarenfabrik Ost & Scherer, Alzeyer Straße 23. Eigenes Ostarbeiterlager mit 20 Ostarbeitern.
- Lederfabrik Gebr. Schneider, Bosenheimer Straße 16. Eigenes Ostarbeiterlager mit 11 Ostarbeiterinnen und Ostarbeitern.
- Lederfabrik C. Ackva, Dessauer Straße 17. 20 Ostarbeiter.
- Baugeschäft Ernst Gerharz, Salinenstraße 135. Eigenes Ostarbeiterlager mit 80 Ostarbeitern
- Ziegelei Henke, Hüffelsheimer Straße. 20 Ostarbeiter. Reichsbahn, Bahnmeisterei Bad Kreuznach, Bahnhofstraße 9. Eigenes Ostarbeiterlager mit 58 Ostarbeitern.
- Optische Werke Dr. Josef Schneider & Co., Ringstraße 132. Eigenes Ostarbeiterlager mit 46 Ostarbeiterinnen. Außerdem wurden 51 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Frankreich, 5 aus Luxemburg und 5 aus Holland beschäftigt.
1941 erfolgte eine teilweise Produktionsverlagerung nach Weende (Stadtteil von Göttingen). Das Landesbauamt Bad Kreuznach hatte im Straßenbau eine unbekannte Zahl von Kriegsgefangenen zwangsverpflichtet. Daneben belegen die vorliegenden Zwangsarbeiter-Listen beim Landeshauptarchiv, dass fast jede Gaststätte, jedes Hotel, jeder Handwerksbetrieb und jeder landwirtschaftliche Betrieb in jedem Dorf einen oder mehrere Ostarbeiter angefordert hatte.
Von den insgesamt 101 Toten auf dem Hauptfriedhof wurden die sterblichen Überreste von 62 Opfern exhumiert und in ihrer Heimat zur letzten Ruhe gebettet.
Rolf Schaller schreibt: „Nach ihrer Befreiung durch die Amerikaner lebten die Ostarbeiter, sogenannte „Displaced Persons“ (DPs), zunächst verteilt auf die Stadt z.B. im Eintracht-Vereinsheim am Sportplatz Heidenmauer, in der Lohrer Mühle und anderen Unterkünften. 1946 ließ die Französische Militärregierung im Auftrag der UN-Organisation UNRRA11 auf dem Kuhberg ein Barackenlager errichten, in dem zeitweilig bis zu 650 DPs untergebracht waren.12 Auf sowjetischen Druck hin repatriierten die West-Alliierten ehemalige russische Zwangsarbeiter in die Sowjetunion. Dort kamen viele von ihnen in das Lagersystem des „Gulag“, weil man sie wegen ihres Aufenthaltes im deutschen Machtbereich der Kollaboration mit dem Feind und der Spionage beschuldigte. Aus Angst vor erneuter Internierung verschwiegen deshalb viele, dass sie Ostarbeiter gewesen waren. Eine nicht unerhebliche Zahl von Ostarbeitern, insbesondere aus Polen und der Ukraine, verblieb nach dem Krieg in Deutschland.
Für die Stadtarchivarin Franziska Blum-Gabelmann ist Rolf Schallers Arbeit ein weiterer wichtiger Mosaikstein bei der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen in Bad Kreuznach. Sie verweist in diesen Zusammenhang auf die Verlegung von Stolpersteinen für die jüdischen Opfer und auf die Stadtarchiv-AG, in der Biografien ehemaliger jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger erarbeitet werden. Auf der Homepage des Stadtarchives sollen für die Gedenkarbeit zunehmend die Namen der Opfer zu finden sein sowie Infos zu deren Schicksal und Leben.
Rolf Schallers Dokumentation ist nachzulesen unter: Publikationen | Stadt Bad Kreuznach (bad-kreuznach.de)
Foto: Seine Dokumentation stellte Rolf Schaller im Haus der Stadtgeschichte/Stadtarchiv vor. Für Stadtarchivarin Franziska Blum-Gabelmann ist Schallers Arbeit ein weiterer wichtiger Mosaikstein bei der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen in Bad Kreuznach.