Frühmorgens: bei Familie Normalverbraucher, die irgendwo in der Kreuznacher Südstadt wohnt, hat vor wenigen Minuten der Wecker geklingelt. Die Mutter ist in der Küche. Während sie Kaffee kocht, spült sie noch einige stehen gebliebene Geschirrteile vom Vortag. Als sie den Stöpsel des Spülbeckens zieht, fließt das Spülwasser inklusive einigen Essensresten, Kaffeepulver und Spülmittel ab. Vater und Sohn nutzen nacheinander das Bad. Toilette, Rasur, Duschen, frisch gewaschene Kleidung. Mit dem Ziehen des Waschbeckenstöpsels oder dem Drücken der Spülung gelangen Exkremente, Papier, Seife, Shampoo, Dusch- und Badeöle ins Abwasser. Für die Familie Normalverbraucher ist das Abwasser damit beseitigt.
Unterdessen im Gewerbegebiet. An der Tankstelle macht der Vertriebsmitarbeiter gerade seinen allmorgendlichen Fahrzeug-Check - Tanken, Ölkontrolle und schnelle Wagenwäsche in der Waschanlage. Die notwendigen Auflagen der Umwelt- und Gewerbeaufsicht sind in einer solchen Anlage natürlich erfüllt, Öl- und Benzinabscheider sind eingebaut, das Waschwasser wird immer wieder aufbereitet und mehrfach verwendet. Trotz allem ist Abwasser aber unvermeidbar.
Die Frühschicht hat in der benachbarten Fabrik begonnen. An mehreren Stellen entsteht im Produktionsprozess Abwasser, das zur Kühlung wie zur Reinigung benötigt wird. Die Mitarbeiter/‑innen haben Umkleideräume und Duschräume, um sich nach getaner Arbeit gründlich zu waschen.
Bei einer mittelständischen Baufirma werden heute die Gerätschaften grundgereinigt. Der Bagger wird mit Hochdruck von dem verkrusteten Schlamm des letzten Baustelleneinsatzes befreit, Betonmischer, Schippen und Kellen von Zement- und Kalkbelag.
Im nahegelegenen, für seine guten Weine bekannten Weindorf haben die Winzer in den letzten Tagen die Weine des Jahrganges abgefüllt. Die meisten Fässer sind leer und müssen deshalb gereinigt werden. Unvergorene Heferückstände belasten das Spülwasser der Fässer. Eine besondere Herausforderung für den Klärprozess.
Der Weg vom Einleiter zur Kläranlage ist lang. Damit die Abwässer nicht einfach im Untergrund versickern, musste ein leistungsfähiges Kanalnetz aufgebaut werden, das regelmäßig gewartet und unterhalten werden muss. Die Stadt betreibt Kamerabefahrungen, um Schadstellen und Beeinträchtigungen zu finden, die umgehend beseitigt werden. Insgesamt misst das Kanalsystem der Stadt Bad Kreuznach eine Länge von rund 210 km Länge.
Im Einzugsbereich der Kläranlage kommen weitere Teilbereiche an Kanalstrecken der Abwassersammler der Verbandsgemeindewerke von Rüdesheim, Bad Münster-Ebernburg, Bad Kreuznach-Land und Sprendlingen hinzu.
Verfolgen wir exemplarisch die Abwässer aus dem Hause der Familie Normalverbraucher, so führt uns der Weg vom Revisionsschacht, an dem die privaten Abwässer an den Abwasserbetrieb übergeben werden, über einen Mischwasserkanal mit 30 cm Durchmesser zunächst zu einem Hauptsammler in der Dimension von 60 bis 120 cm. Der Hauptsammler wiederum mündet in einen Staukanal. Mit einem Durchmesser von 200 bis 240 cm ließen sich hier auch Filmaufnahmen wie in dem bekannten Filmklassiker "Der dritte Mann" machen. Das Volumen dient dazu, Stauraum zu schaffen, um auch größere Niederschlagsmengen zurückhalten zu können. Nach einigen Stunden Kanalstrecke erreichen die Abwässer die Kläranlage.
Der Reinigungsprozess läuft ununterbrochen – tagein, tagaus. Nach durchschnittlich sieben Stunden ist der Klärprozess abgeschlossen. Störfälle kommen vor, sind aber selten. Die 18 Mitarbeiter versuchen alles, um sie zu vermeiden. Auch nachts, an Wochenenden und Feiertagen gewährleistet ein Bereitschaftsdienst, dass beim Ausfall irgendeiner Komponente sofort reagiert werden kann.