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Hans-Kurt Becker (78) erinnert sich an seine Zeit in der Knabenheilanstalt St. Marienwörth
Bernhardiner von Pater Lukas war ein Freund der Kinder
Nach so langer Zeit war niemand mehr da, der mir noch etwas erzählen konnte, wurde er aber nicht fündig. Auch das Kinderheim steht schon lange nicht mehr. Es ist für den Neubau des Krankenhauses aufgegeben und abgerissen worden.
An diese sechs Wochen bei den Franziskanerbrüdern hat Hans-Kurt-Becker keine schlechten Erinnerungen. „Wir wurden gut behandelt“. Allerdings gehörte Becker nicht zu den Lieblingen von Pater Lukas, dem Leiter. Gleich am ersten Tag hatte er es sich bei ihm verscherzt. Zur Begrüßung gab es eine Scheibe Rosinenbrot und ein Glas Buttermilch, ein Getränk, das die Kinder nicht kannten. Als einige nach dem ersten Schluck das Gesicht verzogen, lachte Becker lauthals. Das gefiel dem Pater nicht und er verwies den zehn Jahre alten Jungen des Saales.
„Sein Bernhardiner ging mit mir. Draußen teilte ich mit ihm das Rosinenbrot“, so Becker. Der Bernhardiner sollte ungewollt dafür sorgen, dass Becker bei Bruder Lukas keine Pluspunkte sammeln konnte. Bei einem Waldausflug auf schlammigen Boden, riss der Hund sein Herrchen zu Boden, so dass dessen schwarze Kutte mit braunen Schlamm verdreckt war. Becker musste wieder lachen. „Das hatte zur Folge, dass ich zur Strafe als Sieger eines Schießwettbewerbs mit dem Luftgewehr nicht ausgezeichnet wurde.“ Streng wurde zudem die Post der Kinder zensiert. Wenn den Brüdern etwas nicht gefiel, mussten die Kinder eine neue Karte oder Brief schreiben.
Dennoch will Becker auf die Franziskanerbrüder „nichts kommen lassen“. Die Kinder seien dort gut aufgehoben gewesen. „Wir waren viel an der frischen Luft und hatten viel Freiheit zum Spielen gehabt. Es waren schöne Sommerferien.“ In den mageren Nachkriegsjahren seien Kinder in die Kur verschickt worden, um durch eine bessere Ernährung Gewicht zuzulegen. Beckers Vater war Postbeamter. Der Sohn gehörte zu den Kindern, die die Oberpostdirektion Köln nach St. Marienwörth in Bad Kreuznach verschickte. Seine Kindertransportkarte hat Becker dem Stadtarchiv in Bad Kreuznach geschenkt, außerdem noch Fotos vom Kinderheim, die er sich vor seiner Abreise am 10. August 1956 kaufte. Zu sehen sind u.a. das Karussell, das im Spielhof stand, der Speisesaal, die Schlafsäle mit über 20 Betten, die Liegehalle, Vogelvolieren und Gehege für Rehe, Schafe, Esel.
Hans-Kurt Becker hätte zu gerne das Waldstück mit den zwei Rondellen gefunden, die als Orte für einen Wettbewerb dienten. „Wir wurden in zwei Gruppen aufgeteilt und mussten Moos sammeln und auf die Steine legen. Die Gruppe hat gewonnen, der es als erste gelungen war, sämtliches Moos auf den Gegners Rondell einzusammeln.“
Der Ex-Banker räumt in seinem Leben auf, sortiert aus den Schränken in seinem großen Haus aus, was er alles in den vergangenen Jahrzehnten gesammelt hat. Dazu gehört nun auch die Kindertransport-Karte aus dem Jahr 1956 und Fotos von der Knabenheilanstalt, die nun im Stadtarchiv Bad Kreuznach aufbewahrt werden. „Wir sind über Quellen dankbar, die die vielfältigen Facetten unserer Stadtgeschichte beleuchten. In diesem Fall berühren sie Aspekte der Kurgeschichte Bad Kreuznachs wovon die Kinderkuren einen bedeutenden Zweig darstellten“, freut sich Stadtarchivarin Franziska Blum-Gabelmann.
Foto ganz oben: Die Tiere waren ständige Begleiter der Knaben, besonders beliebt war der Bernhardiner von Pater Lukas.