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Virtuelles Zeitzeugengespräch im Haus der Stadtgeschichte
Für ein paar Minuten war Susan Warsinger wieder Susi Hilsenrath
Begrüßt wurden sie von Oberbürgermeister Emanuel Letz, der betonte, wie wichtig es ist, dass sich auch junge Menschen an der Gedenkarbeit beteiligen und damit auch Flagge gegen Rassismus und Antisemitismus zeigen. Er bedankte sich bei Susan Warsinger für ihre Bereitschaft, sich für die Gedenkarbeit mit jungen Menschen in ihrer Geburtsstadt zu engagieren. „Antisemitismus hat keinen Platz in Bad Kreuznach und wir alle gemeinsam müssen dafür kämpfen, dass sich diese schrecklichen Ereignisse niemals wiederholen. Für die Bildung der jungen Menschen ist ihr Beitrag in Bad Kreuznach eine sehr wichtige Botschaft“, so Letz.
Das Leben der Familie Hilsenrath zur NS-Zeit
Die fünfköpfige Familie Hilsenrath lebte glücklich in Bad Kreuznach. Die Eltern Israel und Anni Hilsenrath kamen 1922 nach Bad Kreuznach. Israel verdiente gutes Geld mit seinem Wäscheladen.1929 wurde die Tochter Susi geboren, 1930 und 1938 die Söhne Joseph und Ernest. Doch schon bald nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 verschlechterten sich die Lebensbedingungen der Hilsenraths, wie für alle Juden in Deutschland. Israel musste sein Geschäft aufgeben, die Familie musste mehrmals umziehen. Susi, die sich so auf ihre Schulzeit gefreut hatte und sich am ersten Schultag stolz mit ihrer Schultüte präsentierte, war schon bald froh, dass sie in eine Judenschule musste, wo sie nicht mehr diskriminiert wurde.
In der Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 wurde ihre Wohnung in der Gymnasialstraße 11 verwüstet. Ihr Bruder Joseph beobachtete, wie dem Rabbiner Dr. Alfred Jakobs der Bart, ein wichtiges religiöses Symbol für einen jüdischen Geistlichen, abgeschnitten wurde. Der Rabbi wohnte mit seiner Familie im gleichen Haus wie die Hilsenraths. Wie Israel Hilsenrath wurde auch Dr. Jakobs verhaftet und bald wieder freigelassen. Das erzählte Susan Warsinger ihren Zuhörerinnen und Zuhörern in Englisch, eine jung gebliebene Frau, eine starke Persönlichkeit, die mit ihrem Erzählstil Emotionen auslöst und die Aufmerksamkeit im Publikum auch über einen längeren Zeitpunkt hochhalten kann.
Schweren Herzens vertrauten die Eltern ihre beiden älteren Kinder einer Frau an, die sie nach Paris schmuggelte. In Frankreich lebte sie fast zwei Jahre mit ihrem Bruder Jospeh, bevor im September 1941 die Eltern sie in New York in die Arme schließen konnte. Mit einem Flüchtlingsschiff mit jüdischen Kindern waren sie von Lissabon aus zwei Wochen lang unterwegs. Ihr Vater war allein in die USA ausgewandert. Als er genug Geld verdient hatte, holte er seine Frau und den jüngsten Sohn Ernest nach New York. Dann schickte die beiden Einreiserlaubnisse für Susi und Joseph an eine Flüchtlingsorganisation in Frankreich.
Fragerunde der Schülerinnen und Schüler
Im ersten Teil der Veranstaltung hatte Keri Bannister, Mitarbeiterin des Holocaust Memorial Museum, Susan Warsinger interviewt. Danach gab es für die Schülerinnen und Schüler eine Fragerunde. Welche Gründe gab es, sich für Washington als Wohnort zu entscheiden? „Mein Vater sagte, wenn sich der Bad Kreuznacher Rabbiner für Washington entscheidet, dann ist es auch ein Ort, an dem die Hilsenraths leben können.“ Waren Sie nochmals in Bad Kreuznach und haben sie noch Kontakte zu Menschen aus ihrer Kindheit? „Ich habe 1972 meinen Töchtern Bad Kreuznach gezeigt. Damals wollte niemand über den Nationalsozialismus in Bad Kreuznach reden. 2008 kam ich nochmal mit meinem Bruder Ernest, der ja damals noch ein Baby, war.
"Aus meiner Kindheit kenne ich niemanden mehr. Das ist schon zu lange her.“ Wie war der Start in der neuen Heimat? „Für uns Immigrantenkinder schwierig, die Lehrer hatten wenig Verständnis für uns. Zuhause haben wir nie wieder deutsch gesprochen. Wir mussten sehr schnell Englisch lernen.“ Susan Warsinger kann auf eine großartige Karriere zurückblicken. Sie war nach ihrem Studium 27 Jahre lange Lehrerin und unterrichtete ihre Schülerinnen und Schüler auch über den Holocaust. Seit Jahrzehnten arbeitet sie ehrenamtlich für die Bildungsarbeit des Holocaust Memorial Museums der Vereinigten Staaten. Sie ist dort Ausstellungsführerin, aktiv bei Zeitzeugengesprächen und hält viele Vorträge an Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen.
Würdigung der Bildungsarbeit
Sie hat drei Töchter und neun Enkelkinder. „Denen habe ich gesagt, dass sie sich freuen sollten, in einer demokratischen Gesellschaft zu leben. Sie sollen entschlossen dafür sorgen, dass keine Diktatur jemals unsere Freiheit raubt. Ich bemühe mich, das auch den Besuchern unseres Museums verständlich zu machen.“
Dass ihre Bemühungen an diesem Abend im Bad Kreuznacher Haus der Stadtgeschichte auf fruchtbaren Boden fielen, verdeutlichte das Schlusswort, das Justus Weber (18) vom Gymnasium an der Stadtmauer sprach: „Das war sehr emotional. Ich habe großen Respekt vor dem, was sie geleistet haben. Machen Sie weiter so mit ihrer wichtigen Aufgabe!“
Das virtuelle Zeitzeugengespräch wurde von der Stiftung Haus der Stadtgeschichte Bad Kreuznach mitfinanziert.
Großes Foto: Aus Washington war Susan Warsinger für das "Zeitzeugengespräch" im Haus der Stadtgeschichte zugeschaltet.