Fachtagung zum Austausch

Weibliche Genitalverstümmelung auch in Deutschland – Hilfe beim Jugendamt und bei Beratungsstellen


Durch Migration neue Themenfelder für Kinder und Jugendhilfe

Da immer mehr Menschen aus aller Welt in Deutschland ihre neue Heimat finden und die kulturellen Gegebenheiten anders sind, haben sich neue Themenfelder für die Kinder und Jugendhilfe ergeben. Den Mitgliedern des Arbeitskreises „Kooperationen und Standards im Kinderschutz“ war es wichtig, einen Zugang zum Thema der weiblichen Genitalbeschneidung und vor allem weitere Möglichkeiten zu finden, um Mädchen davor zu schützen.

Entgegen der landläufigen Meinung, dass die Prozedur nur in afrikanischen Ländern vorgenommen wird, hat es den Arbeitskreis sehr bestürzt, „dass die meisten betroffenen Frauen aus Eritrea, Somalia, Indonesien, Ägypten und dem Irak stammen und vor allem Mädchen aus Somalia, Eritrea, Ägypten, Nigeria und Irak von Beschneidung bedroht sind“ (aus einer Untersuchung im Auftrag des Bundesfamilienministeriums von 2020).

Die Fortbildung hat sehr einfühlsam dargelegt, dass die Frauen, die ihre Kinder beschneiden lassen, dies in dem Glauben tun, dass sie für ihre Kinder etwas Gutes tun. Die Beschneidung wird mit einer kurzen Intervention, die auch schmerzhaft sein kann, aber langfristig positiv ist, von den Familien gesehen. Frauen, die dem nicht zustimmen, werden in ihrem Heimatland ausgestoßen und die Mädchen, die nicht beschnitten sind, werden von den Gesellschaften gemieden und geächtet. Es braucht also sehr viel Mut, sich in einer solchen Gesellschaft gegen die gängigen Vorgaben abzugrenzen und dem psychischen Druck standzuhalten.

Wie kann diese Praxis auch in Deutschland wirken?

Es ist nach wie vor so, dass der Arm der Verwandten aus der Heimat und andere Menschen aus dem gleichen Kulturkreis in Deutschland ebensolchen Druck ausüben, dem sich die andersdenkenden Familien nicht gewachsen sehen. Auch kann es sein, dass bei einem Heimatbesuch ein Kind von Verwandten entführt und beschnitten wird und die Eltern dem nicht entgegenwirken können.

Laut WHO gibt es unterschiedliche Typisierungen der Beschneidungsformen und damit einhergehende akute Folgen und Beschwerden wie starke Blutungen bis zur Verblutung, schwere Verletzungen der Nachbarorgane und dauerhafte Langzeitbeschwerden wie chronische Harnwegsinfekte, Komplikationen bei Geburten, Menstruationsstauungen, Abszesse, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sowie massive psychische Probleme der betroffenen Frauen.

Aufgrund der massiven Komplikationen und der Kenntniserweiterung haben viele junge Mütter und Familien, die in Deutschland leben, jedoch angefangen umzudenken und wollen ihre Kinder vor der Beschneidung schützen. Hinzu kommt, dass die Bedrohung von FGM/C eine Form der geschlechtsspezifischen Verfolgung (= Menschenrechtsverletzung) und somit Grund für Flüchtlingsanerkennung nach GFK (§ 3 AsylG) ist.

Durch das Wissen, dass eine Rekonstruktion des weiblichen Genitals möglich ist, haben sich mittlerweile Frauen dazu entschieden, diesen Weg zu gehen und sich über die Beratungsstellen FIM an einen Facharzt verweisen zu lassen.

Seit 2013 ist Genitalbeschneidung bei Mädchen ein eigener Straftatbestand (§226StGB) und kann mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden. Der gewöhnliche Wohnsitz der Eltern soll „Ferienbeschneidungen“ verhindern und die Strafverfolgung dennoch ermöglichen. Auch kann seit 2017 der Pass entzogen werden, wenn Auslandsreisen der Beschneidung der Töchter dienen sollte.

Weibliche Genitalbeschneidung ist eine Kindeswohlgefährdung

Um die Mädchen zu schützen, gibt es vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend einen Schutzbrief in Landessprache gegen weibliche Genitalverstümmelung. Dieser informiert über die Strafbarkeit von weiblicher Genitalverstümmelung – auch bei einer Durchführung im Ausland – und über den möglichen Verlust des Aufenthaltstitels. Er dient vor allem dem Schutz vor weiblicher Genitalverstümmelung in den Herkunftsländern während der Ferienzeiten und kann im Reisepass mitgeführt werden. Er kann den Familien helfen, sich dem gesellschaftlichen und familiären Druck in den Herkunftsländern entgegenzustellen. Zielgruppe sind primär die bedrohten Mädchen und ihre Familien. Weiterhin dient der Schutzbrief aber auch zur allgemeinen Aufklärung. Diesen Pass können Interessierte auch über das Jugendamt erhalten.

Bei Fragen können sich Frauen und Familien an die Jugendämter sowie Beratungsstellen wenden. Das bedeutet, dass in jeder der nachfolgend benannten Institution Gespräche zu dem sensiblen Thema geführt werden können unter Berücksichtigung der Datenschutzbestimmungen. 

Amt für Kinder und Jugend der Stadt Bad Kreuznach
Allgemeiner Sozialdienst
Telefon: 0671-800 315

AWO Bezirksverband Rheinland e.V.
Abteilung für Migration und Interkulturelle Öffnung
Jane Gitonga-Tüschen
Telefon: 0671-92 038 646

FIM – Frauenrecht ist Menschenrecht e.V.
Telefon: 069-970 9797-0
FIM – Beratungszentrum für Migrantinnen.


Text: Amt für Kinder und Jugend der Stadt Bad Kreuznach; Symbolfoto: Stopp, Mädchen; Pixabay.com

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