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Hetzpropaganda der Nationalsozialisten machte vor niemandem halt - Gedenken an Novemberpogrome am 9. November
Eine spannende Geschichte wie ein Kriminalroman. Aber mit einem entscheidenden Irrtum. Herman Schmidt war kein Jude, sondern ein evangelischer Christ. Dies stellten Natalia Syrnicka, Michel Eckes und Sven Poth, Schüler der Jahrgangsstufe 13 des Technischen Gymnasiums bei ihrer Recherche im Stadtarchiv fest.
Über Schmidt ist weiterhin nur bekannt, dass er 1899 in Bad Kreuznach geboren und 1965 in Köln gestorben ist. Die Spurensuche in der rheinischen Metropole führte zu keinem Ergebnis. Dennoch entschieden sich die Schüler, ermuntert von ihrem Lehrer Sascha Eske, mit dieser außergewöhnlichen Geschichte am Schulwettbewerb "Erinnerung sichtbar machen – 80 Jahre Reichspogromnacht" teilzunehmen. Auch wenn sich herausstellte, dass es sich um keinen Juden handelte, ist es doch für die Schüler ein Beleg dafür, welche Auswirkungen das Gift der Hetzpropaganda der Nationalsozialisten auf die Menschen hatte.
OB Kaster-Meurer dankt Schülern für Engagement gegen Rechts
Über den Grund, warum man Hermann Schmidt für einen Juden hielt, kann nur spekuliert werden. Waren den Bürgen in den 30er-Jahren die Geschäfte des „jüdischen“ Juweliers mit Sitz in Den Haag suspekt? Der üblen Hetzpropaganda der Nationalsozialisten zufolge waren Juden windige und betrügerische Geschäftsleute. Die Nürnberger Rassegesetze setzten ab 1935 die Juden in Deutschland nicht nur der rechtlichen Willkür aus, noch schlimmer, sie machten sie zu „Untermenschen“, wie es im braunen Jargon hieß.
„Wir erleben heute leider wieder, wie in einem erschreckenden Ausmaß Menschen anderer Religionen und Kulturen diskriminiert und stigmatisiert werden“, verweist Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer auf die Parolen von rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Bürgern gegen Flüchtlinge. Die Oberbürgermeisterin bedankt sich bei denen, die sich für ein Bad Kreuznach der Vielfalt engagieren und ist froh, dass sich seit Jahren junge Menschen aktiv am Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus beteiligen.
Novemberpogrome als Übergang zur systematischen Judenverfolgung
Den Schülern stand ein Zeitzeugenbericht von Doris Lowack, eine der beiden der Töchter von Otto Bartsch, zur Verfügung. Sie berichtet von der Freundschaft ihres Vaters, mit „Herman Schmitt aus Den Haag, Niederlande, ein Jude“, der mit seiner Frau die Familie Bartsch häufig in Bad Kreuznach besuchte, wohl auch, um Wertsachen aus dem Bankschließfach zu holen oder dort zu deponieren. Über die Gründe für Schmidts Flucht in die USA schreibt Doris Lowack „… als immer mehr Juden über Nacht verschwanden und auch er in den Niederlanden um sein Leben fürchten musste“.
Die Novemberpogrome 1938 – bezogen auf die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 auch (Reichs-)Kristallnacht oder Reichspogromnacht genannt – waren vom nationalsozialistischen Regime organisierte und gelenkte Gewaltmaßnahmen gegen Juden im gesamten Deutschen Reich. Dabei wurden vom 7. bis 13. November 1938 etwa 400 Menschen ermordet oder in den Suizid getrieben. Über 1400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Ab dem 10. November wurden ungefähr 30.000 Juden in Konzentrationslagern inhaftiert, wo Hunderte ermordet wurden oder an den Haftfolgen starben.
Die Pogrome markieren den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung, die in den Holocaust mündete
Gedenken am 9. November, 14 Uhr, an der Mahntafel
Bei der Gedenkveranstaltung am 9. November, 14 Uhr, an der Mahntafel der ehemaligen Synagoge Fährgasse/Mühlenstraße sprechen Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer und der Vorsitzende des jüdischen Gemeinde, Valeryan Ryvlin, sowie die drei Schüler und ihr Lehrer vom technischen Gymnasium. Auch eine Abordnung der IGS Sophie Sondhelm („Schule gegen Rassismus“) nimmt wieder teil.
Das Gedenken wird mitgestaltet von Tatjana Feigelmann, (Chor der Jüdischen Kultusgemeinde) und Petra Grumbach (Saxophon). El Male Rachamim, das Totengebet, spricht der Kantor der jüdischen Gemeinde, Noam Ostrovsky.
Archivfoto: Auch in diesem Jahr wird die IGS Sophie Sondhelm wieder mit einer Abordnung an der Gedenkveranstaltung teilnehmen.