"Der Meuchelmord von Laubenheim – Ein Stück Justizgeschichte von Bad Kreuznach"


"Weg mit Schott – Freiheit für Tesch." Diesen Text lasen Zuschauer des  vom Kreuznacher Amtsgerichtsdirektor Schott geleiteten Prozesses gegen den ehemaligen SS-Obersturmführer Tesch am Eingang des Landgerichts Ende Februar 1953. Sympathisanten des Angeklagten Tesch hatten ihn in der Nacht zuvor mit schwarzer Farbe angebracht und unter dem Schriftzug „Weg mit Schott“ einen Totenkopf mit gekreuzten Knochen geschmiert. Der damit gemeinte Prozess machte Anfang der 1950er Jahre in Bad Kreuznach und Umgebung Furore, ebenso wie der ihm zugrunde liegende Vorfall in Laubenheim acht Jahre zuvor. Auch heute ist diese Geschichte bei den Älteren und bei den Angehörigen der damaligen Akteure bekannt – aber nur die wenigsten wollen sich ihrer erinnern.

Da sie ein wichtiges Stück regionaler Kriegs- und Nachkriegsgeschichte und ein Lehrstück für den Umgang der Menschen miteinander in schweren Zeiten ist, erzählt sie jetzt der Koblenzer Jurist und „Gedenkarbeiter“ Joachim Hennig. Hennig versetzt seine Zuhörer mit einer umfangreichen Powerpoint-Präsentation in die letzten Kriegsmonate und in die frühe Nachkriegszeit. Im Mittelpunkt steht der Langenlonsheimer Weingutsbesitzer und SS-Führer Kurt Tesch und die Tötung eines abgeschossenen amerikanischen Fliegers durch ihn. Nachdem dieser schon ohne Widerstand von Wehrmachtssoldaten gefangenen genommen und von einer großen Menge Schaulustiger aus den Weinbergen von Laubenheim in den Ort geführt worden war, brachte ihn Tesch hinterrücks aus nächster Nähe mit einem Genickschuss um. Dann verschwand er – erst mit seinem Motorrad nach Langenlonsheim und dann nach dem Krieg für mehrere Jahre.

1952 tauchte er wieder auf, seine Erwartung, dass inzwischen „Gras über die Sache gewachsen“ sei, trog aber. Es kam zu einem Strafverfahren, das mehrere Gerichte jahrelang beschäftigte: erst das Schwurgericht Bad Kreuznach, dann den Bundesgerichtshof, dann das Schwurgericht Mainz, wiederum den Bundesgerichtshof und schließlich nochmals das Landgericht Bad Kreuznach. Das Ergebnis war eine mehrmonatige Gefängnisstrafe für Tesch, die ihm auch noch erlassen wurde. Später hatte Tesch als Lokalpolitiker und Vorsitzender der Jagdgenossenschaft einen gewissen Einfluss vor Ort.

Im Zusammenhang mit der Jagdgenossenschaft kam Anfang der 1980er Jahre im Streit diese Geschichte wieder in die Öffentlichkeit. Das anschließende gerichtliche Verfahren brachte Tesch nicht die verlangte Rehabilitation. Hennig erzählt erstmals diese Geschichte in all ihren Wirrnissen und Verästelungen – ebenso wie die des abgeschossenen amerikanischen Fliegers. Sein Name war Eugene Kalinowsky, sein Leben hat Hennig bis zu dessen Meuchelmord in Laubenheim mit Hilfe der Familie in den USA rekonstruieren können. Damit soll auch an dieses bislang unbekannte Opfer des Nationalsozialismus, an Eugene Kalinowsky, erinnert werden. 


Foto: Im Casino, heute Verwaltungsgebäude der Stadt, war bis Mitte der 50er-Jahre das Landgericht untergebracht. Foto: Stadtarchiv

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