Kunst als entspannender Gegenpol zur Arbeit – Ausstellungen in der Stadtverwaltung


Bild: Mitarbeiterin Ingrid Schulz

Der Testlauf in ihrem Büro in der Bauverwaltung ist schon mal sehr erfreulich verlaufen. Kolleginnen und Kollegen sowie Gäste haben viele der Bilder, die die Wände schmücken, schon bewundern können, so dass sich Ingrid Schulz an eine größere Öffentlichkeit „wagt“. Ihre Bilder sind vielfarbige und mehrschichtige Werke, Acryl-Collagen und Drucke, bei denen sie auf den „Zufall reagiert“ und dabei mehrere Motive zusammenfügt. Dabei verwendet sie unter anderem Fotos aus der Fachzeitschrift „Bauwelt“, Zeitungsausschnitte und Tapetenmuster. Gemalt und geklebt wird auf Papier. Diese werden später auf Holzkästen oder mdf-Platten gezogen. Ein Thema ist eine Hinterhoffotografie aus Bad Kreuznach, die immer wieder neu in Szene gesetzt wird. So trifft der Hinterhof z.B. auf die Millionenstadt Sao Paulo. Hier werden die autoreichen Straßen an den Sonntagen gesperrt, so dass die Bewohner sie zum Spielen und Bewegen nutzen können, da sie unter dem Mangel an freien Grünflächen leiden.

„Ich habe schon als Kind gemalt“, erzählt sie. Auf meterlangen Tapetenrollen, die die Oma ihr besorgte, pinselte sie am liebsten Stadtpläne. Hobby und Beruf befruchten sich gegenseitig. „Meine Arbeit schärft mir das Sehen und das räumliche Wahrnehmen“. Seit 25 Jahren arbeitet die Landschaftsarchitektin in der Stadtverwaltung. Im Bereich Landschaftsplanung schreibt sie die Umweltberichte für Bebauungspläne, bearbeitet das Ökokonto Stadtwald für die Stadtverwaltung und entwirft Gestaltungspläne für Freiflächen. Aktuell befasst sie sich mit dem ehemaligen Wolff`schen Garten. Nachdem sie mit Portraitgemälden und Landschaften in Öl-Pastellkreide begonnen hat, besucht sie seit fünf Jahren Kurse und Workshops der Künstlerin Petra Ehrnsperger in Layenhof/Mainz und hat dort ihre Technik weiter verfeinert und sich inspirieren lassen.


Bild: Mitarbeiterin Dagmar Knob

Auf den ersten Blick sehen sie aus wie Babies. Augen, Mund und Hände wirken täuschend echt. Doch es sind Puppen aus Vinyl, sogenannte Reborn-Babies, die Dagmar Knob mit großem Zeitaufwand sehr lebensnah gestaltet hat. Vor zwei Jahren wurde ihr Interesse auf einer Kreativ-Messe mit Workshops geweckt. Zuvor beschäftigte sie sich in ihrer Freizeit mit dem Werkstoff Porzellan, aus dem sie dann ebenfalls Puppen modellierte, im Ofen brannte, dann bemalte und einkleidete.

Ihr neues Hobby lässt sie sich einiges kosten, 150 bis 200 Euro für den Körperrohling, für Echthaare, für Augen aus mundgeblasenem Jenaer Glas und für Farben. Die Kleidung näht sie selbst. Diese Kunstgeschöpfe bringen rund 3500 Gramm auf die Waage, vergleichbar mit Neugeborenen. Bislang umfasst Dagmar Knobs Sammlung sechs Exemplare. Im Internet kosten die „Rebornbabies“ mindestens 400 bis 500 Euro, Käufer sind beispielsweise Filmemacher, die diese Puppen als „Double“ für Babies in Kino- oder Fernsehproduktionen einsetzen. In Deutschland soll es einige tausend Reborn-Künstler geben. Für Dagmar Knob, die im Amt für Recht und Ordnung für die Gebührenkasse und das Fundbüro zuständig ist, ist es ein Hobby, das ihr Entspannung und Freude bringt.


Bild: Mitarbeiterin Annette Betzer

Für Anette Betzer ist das Malen ein entspannender Gegenpol für eine fordernde Arbeit.
Sie ist im Sozialamt für die Wohnungsvermittlung für Flüchtlinge zuständig und außerdem an 10 Stunden der Woche Sozialarbeiterin an der Grundschule Planig. Die Motive sucht sie sich zum einen aus der Natur, z.B. eine Wiese mit Schmetterling, ein Vogel vor einer beeindruckenden Bergkulisse oder ein Wohnhaus aus Japan, für das ein Foto aus einer Zeitschrift Pate stand. Auch Porträts hält sie mit Kohle oder Acryl fest: Eine modisch verschleierte junge Frau mit neugierigem Blick – oder das Portrait einer ängstlich blickenden Frau, bei der das Gesicht eine Männerhand zart beschützend umfasst.

Vor 2 Jahren hat sie wieder zu Pinsel, Farben, Skizzenblock und Leinwand gegriffen, nach dem sie eine lange künstlerische Pause eingelegt hatte. Die Künstlerin Anette Betzer verbringt mehrere Stunden in der Woche in ihrer „Kreativ-Werkstatt“ in ihrem Zuhause.


Bilder sollen eine Botschaft haben, sie sollen zum Nachdenken anregen. „Workaholic“, das eingedeutschte Wort für „arbeitssüchtig“, ist der Titel, den Jonas Blaesy einer Bleistiftzeichnung gegeben hat. Zu sehen ist eine Computertastatur, die blank ist, weil sich die Buchstaben in die Finger der Hände im Vordergrund eingebrannt haben. Für den jungen Mitarbeiter des Sozialamtes  ist Kunst eine gute Form der Auseinandersetzung mit einer radikalen Technisierung und einer immer schnellen werdenden Arbeitswelt, die Menschen überfordert. Ist die digitale Welt wirklich schöner als die reale oder ist sie nur eine Illusion? Diese Frage soll sich der Betrachter des Bildes stellen, das einen Innenraum zeigt. An der Wand hängt ein Flachbildschirm, der eine grün leuchtende Landschaft zeigt. Die selbe Szene zeigt sich durch den Blick aus dem Fenster, jedoch kahl, verdorrt und düster. Die technischen Möglichkeiten schätzt er aber durchaus. Die Bilder, die er auf dem digitalen Grafiktablett malt, wie beispielsweise einen Pferdekopf, wirken fast so detailreich wie Fotos. „Das ist eine schöne Ergänzung“.

Von abstrakter Kunst hält Jonas Blaesy weniger, sie ist  ihm „zu abstrakt und zu beliebig“. Für ihn ist eine „naturalistisch angehauchte Malweise“ reizvoll. Jonas  Blaesy arbeitet auch mit Fotografien als Kunstform, das Spiel mit Perspektiven und Ausschnitten sowie mit Licht und Schatten, wie etwa die Silhouette der amerikanischen Stadt Chicago bei Nacht.

Sein Hobby hilft ihm auch zuweilen bei seiner Arbeit. Seit September vergangenen Jahres betreut Jonas Blaesy Flüchtlinge bei der Wohnungssuche und in Sprechstunden, wo es um Alltagsprobleme geht. Dabei hilft ihm auch sein künstlerisches Talent. Sucht ein Klient zum Beispiel ein bestimmtes Kochgeschirr und kann seinen Wunsch verbal nicht ausdrücken, verständigen sich beide über Zeichnungen.


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